Home

Lyzeum

Lorenz Hübner


Schulordnung 1803

Gesetze und Vorschriften für die Schüler

der kurbaierischen Gymnasien





Wer bei der gegenwärtigen allgemeinen Aenderung der Dinge die Bedürfnisse des Vaterlandes für die dermaligen Zeitumstände mit jenen des jüngstverflossenen Jahrhunderts vergleicht, muß es bis zur Überzeugung einsehen, daß künftig ungleich weniger Zöglinge in die Gymnasien zur gelehrten Erziehung aufgenommen, und aus den wirklich daselbst Studirenden nur die von untadelhaften Sitten, besondern Geistesgaben, und standhaftem Fleiße zum Uebergange in die Lyceen begutachtet werden dürfen, außer man wollte es mit unverantwortlicher Gleichgültigkeit darauf ankommen lassen, daß auch die hoffnungsvollesten Jünglinge am Ende ihrer Studien, nach so vielem Aufwande an Zeit und Vermögen, sich, ihren Verwandten und dem Vaterlande zur Last, und allenthalben überzählig, einer lebenslänglichen Dürftigkeit und unverschuldeten Verzweiflung preisgegeben würden, anstatt dann die so lange gewünschten Früchte ihrer vieljährigen Bemühungen endlich einärnten, und ehrenvolle sichere Anstellung im Staate erhalten zu können.

Von dieser Hinsicht geleitet, und auch durch die bekannte Erfahrung überzeugt, daß studirende Jünglinge schwerlich mehr in den gemeineren Bürgerstand zurückzutreten sich entschließen, und im Falle man sie dazu zwingt, daselbst insgeheim nur träge, und beinahe ganz unnütze Staatsglieder werden, hält sich das kurfürstl. General-Schulen- und Studien-Direktorium verbunden, und genöthigt, folgende Gesetze und Vorschriften für alle vaterländischen Gymnasien zur unabänderlichen Befolgung zu erlassen.
 
 

1.

Keinem Schüler werde künftig mehr der Eintritt in die erste gymnastische Klasse bewilligt, der nicht 12 Jahre alt ist, ein vorzügliches, seiner höhern Bestimmung angemessenes Talent besitzt, aus der öffentlichen Vorbereitungsschule einen planmäßigen Unterricht nebst guten Zeugnissen über seinen bisherigen Fleiß und sittlichen Wandel mitbringt, und auch zu seinem nothwendigen Unterhalte entweder ein eignes Vermögen, ein Stipendium, oder doch bei ganz außerordentlichen Talenten eine zureichende Unterstützung von menschenfreundlichen Wohlthätern oder Verwandten mit gehöriger Glaubwürdigkeit aufweisen kann.
 
 

2.

Diejenigen Jünglinge, welche von Privatlehrern unterrichtet, oder von einem auswärtigen Schulhause in ein kurbaierisches Gymnasium überzugehen verlangen, sollen ehevor in Gegenwart des kurf. Schulrectors von jenen Professoren, für deren Klasse sie hinlängliche Vorbereitung erhalten zu haben glauben, aus allen Lehrgegenständen des vaterländischen Studienplanes strenge geprüft, und sodann nur in eine ihren Kenntnissen angemessene Schule gelassen werden.
 
 

3.

Jeder Studirende, der nicht unmittelbar bei seinen eigenen Aeltern oder Verwandten wohnt, erkundige sich entweder bei dem kurf. Schulrectorate nach einer guten untadelhaften Wohnung, oder wähle sich selbst welche, jedoch mit aller möglichen Behutsamkeit.

Bei Familen wohnen, deren Gewerbe sich mit den strengeren Berufspflichten eines Studirenden nicht wohl verträgt, z.B. in Bierschenken, Kaffehäusern u.degl., ist nur den nächsten Verwandten derselben zu gestatten.

Am Eingange des Schuljahres, bei den sogenannten Inscriptionen, soll von jedem Gymnasiasten, nebst seinem Nahmen, Geburtsorte, Alter, Stand seiner Aeltern auch die Gasse, die Hausnummer, und der Stock seiner Wohnung; ferner die Nahmen, der Stand, und das Gewerbe seiner Hausleute nebst der Zahl, dem Alter und Geschlechte ihrer Kinder, Dienstbothen, und der übrigen Mitbewohner dem Gymnasiums-Rector schriftlich angezeigt werden.
 
 

4.

Im Verlaufe des Schuljahres seine Wohnung ohne ausdrückliche Genehmigung des Rectorats abzuändern, ist bei schwerer Ahndung nicht erlaubt, und auch nach erhaltener Bewilligung muß jeder sogleich der kurf. Polizei-Direction schriftlich anzeigen, was für eine Wohnung er sich anstatt der verlassenen gewählet habe.
 
 

5.

In den (.3) erwähnten Inscriptions-Zetteln, die Wohnungen betreffend, hat jeder Schüler auch noch ausdrücklich beizufügen, ob er einen Privatlehrer oder Repetitor verlange, und wieviel er demselben monathlich zu bezahlen gedenke. Ueberhaupt sollen künftig alle Hauslehrer- und Repetitorstellen für wirklich studirende Gymnasiasten nur mehr bei den Gymnasial-Rectoren nachgesucht, und von denselben unter würdige Schüler der höheren Klassen vertheilet werden.
 
 

6.

Jünglinge, deren Wandel, Fleiß und Fortgang den gerechten Erwartungen des Vaterlandes nicht gehörig entspricht, sind besonders in den erstern Klassen ehebäldigst auszumustern, und in den Bürgerstand zurückzuweisen.
 
 

7.

Diejenigen Schüler, welche dereinst Rechtsgelehrte, Priester, Aerzte, Chirurgen oder Buchdrucker zu werden gedenken, sind unerläßlich verbunden, auch die griechische und lateinische Sprachen wenigstens bis zum hinlänglichen Grade zu erlernen. Jenen Schülern aber, welche sich zur gründlichern Erlernung einer Kunst, oder zum nähern Umgange mit der feinern Welt bloß in dazu erforderlichen Real-Gegenständen vollkommner auszubilden wünschen, und nach Verlauf einiger Schuljahre das Gymnasium wieder verlassen werden, ist die Erlernung der gelehrten Sprachen nicht aufzudringen.
 
 

8.

Da man bei der bisherigen Einrichtung bemerkt hat, daß einige Schüler, um am Ende des Schuljahres doch wenigstens einen oder zwei Preise davon zu tragen, sich mit besonderm Fleiße nur auf einige Lehrgegenstände verlegen; dagegen manche andere, nicht minder nutzbare, vernachläßigen: so sollen künftig nicht mehr, wie ehedem, aus jedem Lehrgegenstande besondere Preise, sondern aus mehrern zusammen berechneten Lehrfächern allgemeine, die dem fleißigern Schüler zur noch größern Ehre gereichen, öffentlich und mit möglichster Feierlichkeit ausgetheilet werden, so, daß zuerst aus den 2 gelehrten Sprachen (den Fortgang aus beiden zusammen berechnet) und sodann aus den deutschen Sprachübungen (ebenfalls nach dem aus der allgemeinen Berechnung sich ergebenden Resultate) jeder der ersten bessern Schüler, jedoch in gehöriger Abstufung einen angemessenen Preis erhält. In Kursen, welche 50 Schüler zählen, werden von jeder Abtheilung die 10 ersten, in minder zahlreichen verhätnißmäßig weniger solche Preise erhalten.

Während des Schuljahres in eine höhere Klasse aufzusteigen, ist ohne vorläufige strenge Prüfung aus allen Lehrgegenständen, und ohne hierauf erfolgte Genehmigung des Gymnasial-Rectors, und der dazu geeigneten Professoren unter keinem Vorwande erlaubt.
 
 

9.

Die in unsern Zeiten so gemeinnützliche, und beinahe für jeden Gebildeten nothwendige französische Sprache zu erlernen, haben Se. kurfürstl. Durchleucht kraft eines am 27sten October 1802 gnädigst erlassenen Rescripts allen Schüler der vaterländischen Gymnasien ohne Ausnahme verbindlich gemacht.
 
 

10.

In Erwägung, daß die ehemaligen öffentlichen Semestral-Prüfungen, des nothwendigen Wiederholens, und vielen Memorirens wegen, jedesmahl einen vorläufigen Zeitaufwand von mehreren Wochen forderten, indeß der allgemeine planmäßige Unterricht ganz stehen blieb, und vorausgesetzt, daß jeder Studirende schon für sich dazu verpflichtet ist, täglich einen Theil seiner Nebenstunden zur Wiederholung des bereits Erlernten anzuwenden, und so dem leidigen Vergessen möglichst vorzubeugen, so sollen während des Schuljahres zu jeder Zeit alle Schüler ohne Unterschied auch zu plötzlichen Prüfungen bereit seyn. Die kurf. Lokal-Schul-Commissionen werden also, um sich von dem anhaltenden Fleiße jedes Studirenden gehörig zu übrzeugen, die Schulen während des Jahres zu verschiedenen Zeiten öfters besuchen, daselbst immer einige Schüler aufrufen, von dem gegenwärtigen Professor über die bereits erklärten Lehrgegenstände prüfen, auch sich manchmal Versuche von lateinischen und deutschen Stylübungen vorlesen lassen, und sodann ihre Bemerkungen mittelst monathlicher Amtsberichte dem kurf. General-Schulen- und Studien-Directorium einsenden.
 
 

11.

Diejenigen, welche aus Mangel eines hinlänglichen Talents, oder wegen zu geringer Verwendung dimittiert werden, erhalten zwar von dem kurf. Gymnasial-Rector die gewöhnlichen Testimonien, jedoch nur mit dem ausdrücklichen Beisatze: daß man denselben den Rath, die lateinischen Schulen auf immer zu verlassen und in den Bürgerstand zurückzutreten, wohlmeinend ertheilt habe.
 
 

12.

Sollte ein Studirender, ungeachtet seiner erhabenen Berufspflichten, so sehr ausarten, daß man ihn seines unsittlichen, verführerischen Wandels, oder eines besondern Verbrechens wegen zur förmlichen Exclusion verurtheilen muß, so wird das kurf. Schulen- und Studien-Directorium nicht bloß allen fernern Umgang mit demselben den noch wirklich Studirenden durch die kurf. Rectoren mittelst öffentlicher Kundmachung ernstlich untersagen lassen; sondern ihn auch an alle landesfürstl. Lokal-Schul-Kommissionen der übrigen vaterländischen Gymnasien nahmentlich ausschreiben, und der kurf. Polizei-Direction, oder, nach Verhältnis der Sache, dem landesfürstl. Militär zur weitern Verfügung übergeben.

Obrigkeitliche Anschlagzettel hat im Gymnasium immer nur der Schul-Pedell zu seiner Zeit wegzunehmen. Wer eher einen herabreißt oder verunstaltet, ist als ein Verachter des Gesetzes anzusehen.
 
 

13.

Wenn ein Schüler von dem Gymnasiums-Rector mit dem Karzer ist bestraft, oder seines unanständigen Betragens wegen mit der Entlassung bedroht worden, wird jedes Mahl auch dessen Aeltern, oder Hausleuten durch den Pedell ungesäumte Nachricht hiervon ertheilt, damit auch sie in der Folge zur möglichsten Zurechtweisung und Besserung des Verirrten das Ihrige pflichtschuldig beitragen, und überhaupt ihre Angehörigen genauer kennen lernen.
 
 

14.

Jeder Schüler erscheine jedes Mahl gut vorbereitet, reinlich gekleidet, und, besonders am Morgen ordentlich gewaschen und gekämmt, frühzeitig, und mit Anstand auf seiner Schule, verwechsle den ihm daselbst angewiesenen Platz ohne ausdrückliche Erlaubniß seiner Professoren niemahls, und erweise diesen, so wie allen seinen Schulobern, allenthalben die vollkommenste Hochachtung, und den bereitwilligsten, pünktlichsten Gehorsam. Wer einem öffentlichen Lehrer, Rector, oder Local-Studien-Commissär unehrbietig, oder grob begegnet, ist ohne Rücksicht zu exkludiren, oder nach Verhältniß der Sache zum Soldatenstande abzugeben.

Wer sich auf der Schule, besonders während des Unterrichts, kindisch und unruhig beträgt, macht sich eines strafbaren Leichtsinnes schuldig, und hat über die Würde einer öffentlichen Schule, und über die ihr in so mancher Hinsicht gebührende Verehrung wohl noch nie reifer nachgedacht. Um dergleichen unruhige muthwillige Knaben von ihren würdigern Mitschülern zu unterscheiden, und sie den Lokal-Studien-Commissären und Rectorn, wenn diese die Schule besuchen, ohne Zeitverlust sogleich beim ersten Anblicke kennbar zu machen, sollen, besonders in den untersten 2 Klassen, 1 oder 2 abgesonderte Strafbänke herbeigeschafft werden, wohin die Strafbaren auf eine bestimmte Zeit, oder bis zur hinlänglichen Besserung zu weisen sind.
 
 

15.

Während der Schulzeit soll nur der Lehrer, oder der zum Antworten oder Erklären aufgerufene Schüler gehört, von allen Uebrigen aber eine feierliche Stille, allgemeine Aufmerksamkeit und innige Theilnahme beobachtet werden. Wer seine Mitschüler muthwillig stört, oder sich daselbst mit andern Dingen, als mit dem Vortrage des Lehrers, beschäftigt, äußert gegen denselben eine offenbare Geringschätzung, und entehret die Schule, und selbst den Nahmen seines Staates.
 
 

16.

Ohne dringende Noth während der Lehrstunden aus der Schule laufen, verräth, daß man daselbst Langeweile fühlt, und nichts zu lernen verlangt.
 
 

17.

Schüler während der Zeit des öffentlichen Unterrichts aus der Schule rufen, wird nur in äußerst dringenden Fällen erlaubt, und auch alsdann muß dem gegenwärtigen Professor jedes Mahl ehevor die Ursache gemeldet und dessen Erlaubniß erwartet werden.

Wer minder nothwendige Dinge mit einem Schüler abzumachen hat, mag dies füglicher vor, oder nach der Schule thun.
 
 

18.

Mäntel, Hüte und Mützen müssen in der Schule, damit der gegenwärtige Professor jeden Schüler ungehindert sehen und genauer beobachten kann, abgelegt, und an Nägelrahmen aufgehängt werden.

Außer der Schule Mäntel zu tragen, die rauhen Wintertage, oder eine ungewöhnlich schlimme Witterung ausgenommen, ist den Studenten, zur Beförderung der so nützlichen Reinlichkeit und des äußerlichen Anstandes, nicht mehr erlaubt. Soll ein Studirender nebst einem berufsmäßigen, feinern Umgange, sittlichen Wandel, und reinerer Mundart noch ein anderes Kennzeichen an sich haben, so trage er ein gutes klassisches Buch bei sich, um allenfalls auch jedes Theilchen Muße nützlicher, als mit maschinenartiger Gedankenlosigkeit ausfüllen zu können.
 
 

19.

Wer von einer Schulzeit weggeblieben ist, entschuldige sich am Ende der nächstfolgenden Schule bei den Professoren, deren Unterricht er versäumt hat.

Im Falle einer Erkrankung lasse jeder sogleich durch einen Mitschüler, oder jemanden von seinen Hausleuten dem Gymnasial-Rector davon Nachricht ertheilen.

Wer aus erweislicher Nachlässigkeit 3 Schultage, oder auch 6 nicht unmittelbar aufeinander gefolgte Schulzeiten weggeblieben ist, oder ohne Erlaubniß des Gymnasial-Rectors während des Schuljahres verreiset, hat sich zur Dimission geeignet.
 
 

20.

Zu viel Sehnsucht nach Vakanztagen und Ferien verträgt sich mit dem Nahmen und der berufsmäßigen Lernbegierde eines Studirenden eben so wenig, als Unthätigkeit und Müßiggang. Künftig bleiben also die gymnastischen Schulen zu Weihnachten nur mehr am Nachmittage des heiligen Abends bis ausschließlich zum Johannestage verschlossen, im Carneval nur die letzten 3 Tage, zur Osterzeit vom Nachmittag der Char-Mittwoche bis ausschließlich zum Osterdiensttage, und so auch nur am Pfingst-Sonn- und Mondtage.
 
 

21.

Außer den gesetzmäßigen sogenannten Vakanztagen, nähmlich am Diensttage Nachmittags und an Donnerstagen, sind keine weitern mehr einzuführen. Aber auch jene gesetzmäßig bewilligten sind zu nichts weniger, als zum Nichtsthun und Müßiggehen; sondern Theils zur fleißigen Ausarbeitung häuslicher Aufgaben, zur Wiederholung des bereits Erlernten, Vorbereitung für nächstkünftige Schulen, theils zur Erlernung ausländischer Sprachen, besonders der französischen bestimmt. Lehrbegierigen, guten Jünglingen ist jede Lebensstunde schätzbar, stäte Abwechslung ihrer Berufsgeschäfte angenehm, und nur der Müßiggang verhaßt und unerträglich. Sogar ihre Spaziergänge wissen sie gehörig zu benützen: indem sie sich dabei in ihren naturhistorischen Kenntnissen durch Pflanzen-, Mineralien-, und Insekten-Sammeln stets mehr vervollkommnen, oder bei erfahrnen Gärtnern einigen Unterricht in der schönen Blumenkultur, oder in der für unser Vaterland so nothwendigen Obst-Baumzucht zu erhalten suchen.
 
 

22.

Um auch während der Herbstferien dem freiwilligen Fleiße der bessern Schüler die gehörige Richtung, und eine nützliche Gelegenheit zu angemessenen practischen Uebungen zu verschaffen, die Trägen aber vor heillosem Müßiggange und dessen verderblichen Folgen zu retten, wird künftig jeder Professor aus den im Verlaufe des Schuljahres erklärten Lehrgegenständen am Ende desselben seinen Schülern einige Aufgaben zu schriftlichen Stylübungen in die Vakanz mitgeben. Die Ausarbeitungen werden dann am Eingange des nächsten Schuljahres gleich bei den Inscriptionen dem Gymnasial-Rector eingehändigt, der sie jedes Mahl nach ihren Gegenständen den Professoren zur Beurtheilung übergibt, und das Resultat davon in die Berechnung des neuen Schuljahres bringen läßt. Die ehemaligen Schüler der 5ten Klasse überreichen ihre Herbstarbeiten dem Lyceums-Rector.

Auch zu gut gewählten Gedächtnißübungen mögen lernbegierige Jünglinge die Herbstferien benützen, und auch hierzu von ihren Lehrern passende Aufgaben erhalten.

So sollen z.B. die Schüler der 4ten Klasse zum Übergange in die 5te während dieser Zeit die in so mancher Hinsicht sehr interesante Epistel des römischen Dichters Horaz an die Pisonen: Humani capiti etc. auswendig lernen, und dann dem Professor der lateinischen Litteratur sogleich in den ersten Tagen des neuen Schuljahres davon Beweise ablegen, welche ebenfalls in der allgemeinen Berechnung ihres Fleißes für das neu angefangene Studienjahr anzumerken sind.
 
 

23.

Wein- und Bierschenken, Bräu- und Kaffeehäuser, wie auch öffentliche Gärten, Spielplätze, Tanzböden und Maskenbälle (Redouten) zu besuchen, oder daselbst Tanz- oder Lyranten-Musik aufzuspielen, ist allen Schülern der Gymnasien ohne Ausnahme verbothen; und die kurf. Polizei-Direction hat volle Macht, die dagegen Handelnden aus solchen Orten wegzuführen. Lernbegierige, Tugend und Ordnung liebende Jünglinge sollen, wenn die Nacht beginnt, immer schon zu Hause sein, und die Abende zur Wiederholung des bereits Erlernten, oder zur Vorbereitung für den nächsten Schultag, oder zur nützlichen Lectüre verwenden. Sich von den Kost- oder Hausleuten zum längern Ausbleiben den Hausschlüssel ausbedingen, ist allgemein verbothen, und wer ohne Vorwissen und Erlaubniß seines Hausvaters, und ohne anständige dringende Ursache eine Nacht außer seiner gewöhnlichen Wohnung zubringt, mit der Exclusion zu bestrafen.
 
 

24.

Da die Schüler der gymnastischen Klassen entweder nicht Vermögen, oder nicht Kenntnisse genug besitzen, gute, ihrem Alter und berufe angemessene Lehrbücher sich selbst beschaffen zu können, so wird das kurf.General-Schulen- und Studien-Directorium möglichst bald für jedes Gymnasium eigene Lesebibliotheken herbeischaffen, in der Hoffnung, jeder brave Jüngling werde diese Wohlthat zu seiner intellectuellen und moralischen Ausbildung dankbar benützen, und so eine von seinen wohlmeinenden, erfahrenen Obern gebilligte solide Lectüre schwärmerischen Romanen und unsittlichen Schriften nicht hintansetzen.

Am Ende jeden Monats soll jeder Schüler dem Professor, welchem die moralische Aufsicht über seine Klasse zusteht, schriftlich anzeigen, mit was für einer Lectüre er die Stuncen seiner Muße ausgefüllt habe; auch auf Verlangen den Inhalt und das Lehrreiche aus diesen Schriften, zum Beweise, daß er soe wirklich gelesen habe, bestimmt anzugeben im Stande sein.
 
 

25.

Wessen Moralität schon so tief gesunken ist, daß er kein Bedenken trägt, studirenden Jünglingen, bei dem gegenwärtigen Ueberflusse guter, erbaulicher Lesebücher, unsittliche Schriften oder verführerische Zeichnungen in die Hände zu spielen, der wird von dem kurf.General-Schulen- und Studien-Directorium als ein offenbarer Jugendverführer nach Verhältniß der Sache gerichtlich belangt, und, wenn er selbst ein Student ist, entlassen, oder gar exkludirt.
 
 

26.

Jeder rechtschaffene Jüngling, der das sittliche Wohl seiner Mitmenschen gehörig zu schätzen weiß, und möglichst zu fördern wünscht, wird auch die heimlichen Verirrungen seiner Mitschüler gegen die Versicherung, daß sein Nahme immer verschwiegen bleibt, frühzeitig einem Professor, oder dem Gymnasium-Rector anzeigen. Wer also in Erfahrung gebracht hat, daß ein Mitstudirender unsittliche Bücher liest oder ausleiht, einen unanständigen Umgang mit Frauenspersonen oder rohen, ungesitteten Menschen unterhält, ärgerliche Reden im Munde führt, böse Beispiele gibt, in seinem Kreise Schamlosigkeit verbreitet, und die jugendlichen schönen Gefühle von Tugend und Unschuld zerstöret, kurz, wer in Fällen schweigt, wo der das Wohl eines Mitschülers, die Ehre seines Standes, und den guten Ruf des Gymnasiums hätte retten können, ist in der Folge selbst für einen Theilnehmer, oder strafbaren Verheimlicher anzusehen.
 
 

27.

Alle Glückspiele um Geld sind ihrer leidigen Folgen wegen ohne Ausnahme verbothen. Ueberhaupt aber sollen Studirende, welche bei ihren Berufsarbeiten, besonders in den untern Shulen, viel sitzen müssen, jede nothwendige Erhohlung mit gesunden Körperbewegungen, wie z.B. bei Ball- und Ballonspielen, Eisschießen und Schlittschuhlaufen an gefahrlosen Orten u.dgl. möglichst zu verbinden suchen. Doch sind denselben zu solchen Erhohlungen nach Verschiedenheit der Jahreszeiten von dem Gymnasiums-Rector immer nur einige Abendstunden zu bewilligen.
 
 

28.

Auch den Gymnasiasten ist manchmahl der besuch eines von dem Gymnasiums-Rector in moralischer und ästhetischer Hinsicht begutachteten Schauspiels, besonders am kurf. Hoftheater, aber nur in Begleitung ihrer Aeltern, oder eines rechtschaffenen Hausvaters zu bewilligen. In Privathäusern Schauspiele selbst aufführen, oder dabei Rollen annehmen, darf, des dazu erforderlichen Zeitaufwandes wegen, ohne ausdrückliche Erlaubniß des Schulrectors kein Schüler.
 
 

29.

Jeder studirende Jüngling soll nicht bloß in Gegenwart seiner Schulobern und Hausväter; sondern noch weit mehr in öffentlichen Versammlungen und vor dem Publikum durch ein sittliches und urbanes Betragen sich und seinem Stande Achtung verschaffen suchen, und folglich jedem, dem entweder in Rücksicht seiner Person, seines Amtes oder Standes Ehre gebührt, die herkommlichen Ausdrücke der äußerlichen Verehrugn, z.B. durch Hutabziehen, sich verneigen, aus dem Wege trten, zur linken Seite gehen u.dgl. mit ungezwungener Höflichkeit bezeigen.
 
 

30.

Um es in dieser, besonders bei der heutigen verfeinerten Welt, so wirksamen Eigenschaft frühzeitig zur gehörigen fertigkeit zu bringen, sollen alle Studirende, selbst Mitschüler und Zimmerkameraden, auch unter sich die Regeln der urbanität, des Wohlstandes und feinern Umganges, jedoch ohne kleinstädtische Steifheit, imme rgenau beobachten, und sich mit allmöglicher Behutsamkeit vor rohen, groben Ausdrücken, sogenannten Spitznahmen und bittern Spötteleien gänzlich enthalten.
 
 

31.

Da in unserm Vaterlande nun schon seit 30 Jahren sogar die Schüler der Realklasse und Bürgerschulen ihre deutsche Muttersprache rein und fehlerfrei zu schreiben geübt werden: so sieht man fürwahr nicht ein, aus welchem Grunde es den Studirenden erlaubt seyn könne, unrichtig und pöbelhaft sprechen zu dürfen, oder warum sie bei zunehmenden Jahren und Studien ihre Landesprache nicht eben so rein und gut, wie andere gebildete Deutsche, reden sollten.

In dieser Hinsicht, und besonders nun, da wir Baier unlängst in Farnken reiner sprechende Landesbrüder erhalten haben, trägt das kurf.General-Schulen- und Studien-Directo-rium allen Schülern der vaterländischen Gymnasien ernstlich auf, sich in ihrem täglichen Umgange, und vorzüglich auf den Schulen, jedoch ohne lächerliche Affectation, eine möglichst reine Mundart anzugewöhnen. Auch auf diese allmähliche Vervollkommnung werden die Professoren in ihren jährlichen Fortgangs-Berechnungen gehörige Rücksicht nehmen; und die Gymnasien-Rectorn bei Gelegenheit und Muße eigene Deklamations-Uebungen veranstalten, wo unter ihrem Vorsitze, und in Gegenwart einiger Jugendfreunde und Mitschüler fleißige Jünglinge zur Bildung ihres Organs entweder gutgewählte klassische Muster, oder eigene Versuche ablesen, oder auch im Dialogiren geübt werden mögen.
 
 

32.

Stutzerei und Modegetändel soll jeder deutscheJüngling, der auf eine wesentlichere Bildung, und einen bessreren, solideren Gschmack Anspruch zu machen hat, frühzeitig verachten lernen, und sich nicht ohne Noth zum Sclaven lebenslänglich lästiger Beürfnisse herabwürdigen. Durch Simplicität, Reinlichkeit, und Modestie im äußerlichen Anzuge, Haarschnitte u.dgl. empfiehlt sich überhaupt die Jugend bei der bessern Welt ungleich vortheilhafter, als durch eitel glänzenden Flitter und erkünstelten, bunten Kliederprunk; besonders aber trauet der vernünftige Beobachter studirenden Jünglingen, die mit Brutus- oder andern Titus-Köpfen, Ohrengehängen, verunstaltenden Mundbinden, oder entblößten Hälsen, Tabaks-Dosen und Pfeifen, Knotenstöcken u.dgl. sich brüsten, nie einen gebildeten geist, reifen Verstand, richtigen Geschmack und sanfte, liebenswürdige Gemüthsart zu.
 
 

33.

Auf öffentlichen Straßen und gemeinsamen Spatziergängen Jauchzen, Lärmen, Pfeiffen, Schreien und Rumoren sind ebenfalls sprechende Beweise von rohen Sitten, hohlen Köpfen, und einer brutalen, beleidigenden Geringschätzung des übrigen daselbst wandelnden Publikums. Wer renommistische Schwärmereien, die dem sanften Charakter der schönen Künste und Wissenschaften so sehr widersprechen, sich zu Schulden kommen läßt, besonders jeder Theilnehmer an Schlägereien, Pasquillen, verläumderischen Schriften, überhaupt jeder Stöhrer der öffentlichen Ruhe erkläret selbst vor der Welt, er sei seines Standes und des feinern Umganges mit Gebildeten unwürdig.
 
 

34.

Wer sich gegen was immer für eine Beleidigung durch Selbstrache Recht verschafft, ist ebenfalls strafbar, und hat auf fernere Genugthuung keinen Anspruch mehr. Jeder Beleidigte stelle mit geziemender Gelassenheit seine Klage beim kurf.Schulrectorate und erwarte von daher nach genauer Untersuchung das Weitere.
 
 

35.

Deutsche Jünglinge sollen sich, wie ihre braven Vorältern, auch vorzüglich durch schön gewachsenene, starke Körper auszeichnen. In einem geschwächten, siechen Leibe kränkelt immer auch der Geist, und wird im Verhältnisse, wie dessen Kräfte schwinden, besonders zur Erlernung der Wissenschaften fast mit jedem Tage untauglicher.

Wer also dereinst ein brauchbarer Diener seines deutschen Vaterlandes zu werden, und die Freuden des Lebens lange zu genießen wünscht, hüte sich in seiner Jugend vor Weichlichkeit, Verzärtelung, Unmäßigkeit, leidenschaftlichen Aufwallungen jeder Art, erweise seinem Körper, dem erhabensten Meisterstücke der Natur, wenn ihn auch keines Menschen Auge sieht, immer jene Achtung, die dessen hoher Bestimmung und Würde gebühret, und enthalte sich von allem, was der Vollendung seines Wuchses nachtheilig ist, die Farbe der blühenden Gesundheit frühzeitig von jugendlichen Wangen wischt, und auch Jünglinge vor der Zeit alt und zum Grabe reif macht.
 
 

36.

Von Studirenden, die zwar in ihrer wissenschaftlichen Bildung, aber nicht zugleich in der moralischen Veredelung ihres Herzens fortschreiten, haben Vaterland und Menschheit in der Folge nichts Gutes zu erwarten. Beide zusammen schwesterlich vereint bestimmen den eigentlichen Werth und die künftige Brauchbarkeit eines Jünglings. In dieser durch die Geschichte alter und neuer Zeiten so unwidersprechlich bewiesenen Ueberzeugung verordnet das kurf.General-Schulen- und Studien-Directorium, daß künftig bei Berechnung des jährlichen Fortgangs jedesmahl auch die sittliche Aufführung als ein wesentliches Bedingniß in Anschlag gebracht werden soll, so zwar, daß derjenige, dessen moralischer Wandel in Verlaufe des Schuljahres nicht wesentlich untadelhaft war, am Ende desselben auch bei aller wissenschaftlicher Auszeichnung doch keinen Platz in der ersten Klasse erhalten kann.

Unter einer sittlich guten Aufführung versteht sich aber nichts weniger, als ein mechanisches Frömmeln, oder pharisäisches Heucheln, noch eine sclavische Ergebung in den Willen der Obern, die man fürchtet; sondern eine Sittlichkeit, die aus dem Innersten eines reinen, guten Herzens, und ohne eigennützige Nebenabsicht aus Gefühlen entsteht, welche von der Religion geheiligt und von der Vernunft gebilliget werden.

Studirende, von welchen man einen bösartigen Character oder auffallenden Beweis eines verdorbenen Herzens erweislich hat in Erfahrung gebracht, oder die, nicht begnügt, daß sie für sich allein böse sind, auch noch andere zum Bösen verführen, sind ohne Rücksicht auf ihre Geistestalente, oder herkunft, unverzüglich zu entlassen, oder, nach Verhöltniß der Umstände, feierlich zu exkludiren. Ueberhaupt aber wird jeder Gymnasiums-Rector und Professor auch noch ein eigenes sogenanntes schwarzes Tagebuch halten, worin jedes Mahl der Nahme eines gewarnten, bedrohten, oder bestarften Schülers nebst seiner Vergehung eingetragen, und worauf bei ferneren Vorfällen gehörige Rücksicht genommen wird.
 
 

37.

Gute Jünglinge zeigen die Früchte ihres erhaltenen Unterrichts ohne heuchlerische Absicht bei jeder Gelegenheit, besonders aber in der Kirche durch ein würdiges Betragen, innigste Andacht, und unzerstreute Theilnahme an gottesdienstlichen verrichteungen. Kindliche Gottesfurcht führt auf der sichersten Bahn zur Weisheit; dagegen aus Mangel religiöser Empfindungen der sinnliche Mensch, besonders in seiner Jugend, und unter so mancherlei Gefahren der Verführung, sich sehr leicht auf Abwege verirrt.

Die erhabenen Gefühle der heiligen Religion frühzeitig in junge herzen zu pflanzen, und möglichst zu fördern, hat das kurf.General-Schulen- und Studien-Directorium bereits unterm 25.Nov.1802 eine allgemeine Vorschrift zur zweckmäßigen Verbesserung der Studenten-Gottesdienste, und unterm 5.Dec. desselben Jahres ein Normale zur sytematischen Eintheilung des Unterrichts in Religion und Moral an alle vaterländische Gymnasien erlassen, und weiset auch nun alle studirende Jünglinge zur gewissenhaften Befolgung der darin vorgechreibenen Ordnung, fleißigen Gegenwart, des erbaulichen Anstandes, und der wetteifernden Theilnahme ernstgemessenst an.

Wer aber daselbst durch leichtsinniges Schwätzen, unehrbiethiges Umherscheuen, freches Lachen und ungebührende Stellungen andere zerstreuet, zu fühe wegeilet, durch was immer für ein muthwilliges Betragen öffentlich Aergerniß gibt, sich im Ein- und Ausgehen unanständig aufführt, über religiöse Gebräuche oder Lehrsätze Spötteleien oder freche Reden äußert, welche Mißdeutungen und Aergernis nach sich ziehen, oder wer religionswidrige Schriften liest oder breitet, oder was immer für Glaubensgenossen lieb- und achtungslos begegnet, handelt gegen die ehrwürdigen Gestze unserer Religion und seines Beriufes, und verdienet ohne Schonung bestraft zu werden.
 
 

38.

Wer einmahl von einer gottesdienstlichen Verrichtung weggeblieben, oder merklich zu spät gekommen ist, soll sich nach der nächstfolgenden Schule beim Gymnasiums-Rector hierüber entschuldigen

Wer aber 3 Gottesdienste aus erweislicher Nachläßigkeit versäumte, oder sechsmahl, ohne sich darüber am gehörigen Orte netschuldiget zu haben, merklich zu spät kam, hat sich, besonders wenn auch sein übriger Wandel zweifelhaft, oder sein Fortgang nur mittelmäßig ist, zur Dimission reif gemacht.
 
 

39.

Während einer gottesdienstliche Verrichtung, die Beicht und heil.Kommunion ausgenommen, in was immer für einem Buche zu lesen, ist bei schwerer Ahndung gänzlich untersagt: indem das kurf.General-Schulen- und Studien-Directorium die Anstalt getroffen hat, daß jedes Mahl Theils von einem Professor passende Gebethe und Betrachtungen vorgelesen, Theils von der sämmtlichen Gemeinde erbauliche Kirchenlieder abgesungen werden sollen.
 
 

40.

In Kirchen, und vorzüglich auch bei öffentlichen feierlichen Prozessionen, erscheine jeder Studirende in einfacher, reinlicher und erbaulicher Kleidung.
 
 

41.

Da über die Befolgung aller dieser Gesetze und Vorschriften laut eines unterm 19.Nov. 1802 ertheilten gnädigsten Befehls sich jedes Mahl am Ende eines Monathes der Gymnasiums-Rector und sämmtliche Professoren unter dem Vorsitze der kurf.Local-Schulen-Commission zu sogenannten Schulkonferenzen versammeln werden, so wird man auch dahin diejenigen Schüler, welche sich zur besondern Zufriedenheit aller Obern sowohl in wissenschaftlicher als moralischer Bildung rühmlich ausgezeichnet, zur stufenweisen feierlichen Belobung; jene Jünglinge aber, welche durch Faulheit, rohe Sitten, oder durch eine gesetzwidrge Handlung Anlaß zu einer gerechten Klage gegeben haben, nach Verhältniß der Sache zur nachdrücklichen letzten Warnung, oder zur gänzlichen Entlassung vorrufen, und hierüber zum bleibenden Denkmahle ein förmliches Protokoll zu den Schulacten hinterlegen.
 
 

42.

Um endlich jeder Ausrede oder Entschuldigung von Nichtgewußthaben für immer vorzubeugen, sollen diese Gesetze und Vorschriften am Eingange jedes Semesters in Gegenwart der kurf.Local-Schulen-Commission und des Rectors allen gymnastischen Schulen deutlich vorgelesen, und auch zum öffentlichen Drucke befördert werden,
 

München, den 1.Jäner 1803
 

(nach: Lorenz Hübner: Beschreibung der kurbaierischen Haupt- und Residenzstadt München... Zweite Abth.: Statistik, München 1805, S.348 ff.)


Seitenanfang